Zielgruppen

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Eine Zielgruppe ist eine Gruppe von Menschen, die etwas „gemeinsam“ haben – gemeinsame Interessen und Vorstellungen, eine ähnliche soziale oder nachbarliche Situation oder aber, weil sie ein einem gemeinsamen Kontext arbeiten, ihre Kinder versorgen oder den Alltag verbringen. Zielgruppen werden gebildet, um potenzielle KundInnen oder BürgerInnen zielgenau zu informieren und ggf. in ihrem Handeln zu beeinflussen. Erst wenn man versteht, was den jeweiligen Menschen wichtig ist, also wie sie „ticken“, kann man sie „richtig informieren“ und ggf. auch beeinflussen!

Definition unterschiedlicher Zielgruppen

Die Kriterien, nach denen Zielgruppen segmentiert werden, können sehr unterschiedlich sein. Man kann unterscheiden in

  • Institutionelle Zielgruppen (Menschen in einer formalen Einheit wie Politik, planende Verwaltung, Mobilitätsanbietende, Unternehmen als Arbeitgeber, Schulen, etc.),
  • Situative Zielgruppen (Menschen, die zu einem bestimmten Anlass zusammenkommen, beispielsweise zu einer Partizipations-Veranstaltung, einem Aktionstag eines UMLs, Eltern, die Kinder zur Schule bringen, etc.),
  • Zielgruppen nach sozialer Lage (junge Familien, ältere Menschen, migrantische Frauen, Mobilitäts-Benachteiligte, wohlhabende ältere Paare, etc.)
  • Soziale Milieus (Menschen mit grundlegenden Wertvorstellungen und Motiven),
  • Verhaltenshomogene Gruppen (Menschen, die ein sehr ähnliches Verhalten zeigen: überzeugte Autofahrende, Öffi-Fans, aktiv Mobile – Mobilitäts- und Lebensstilgruppen).

Im Zuge von Beteiligungsverfahren und in unterschiedlichen living labs, resp. ‚mobility labs‘ wird in der Regel keine spezifische Vorauswahl von Zielpersonen vorgenommen – man arbeitet mit den Menschen, die kommen (situative Zielgruppen). Für die Lösung des häufig auftretenden Problems der „Eltern-Taxis“ sind die Zielgruppen die Eltern, die allerdings sehr unterschiedliche Vorstellungen über ein „richtiges“ Verhalten haben können, und/oder deren Kinder. Meist geht hier die Initiative von Schulen aus resp. werden sie ebenfalls eingebunden. LehrerInnen einer Schule sind ein Beispiel für eine institutionelle Zielgruppe; weitere Beispiele hierfür sind Menschen in Betrieben, Verwaltungen oder Vereinen, d.h. die Gemeinsamkeit dieser Zielgruppen-Definition ergibt sich aus einer gemeinsamen Mitgliedschaft oder Zugehörigkeit.

Personen innerhalb von situativen und institutionellen Zielgruppen haben aber eher selten gemeinsame Ziele und Interessen und verhalten sich daher häufig sehr unterschiedlich – das ist dann meist auch der Grund für entstehende Probleme. Diese Zielgruppen werden in der Regel über (Beteiligungs-)Prozesse eingebunden, innerhalb derer die unterschiedlichen Interessen benannt, diskutiert und möglichst vereinheitlicht werden.

Ein ganz anderer Ansatz wird in den Sozialwissenschaften gewählt; hier ist es wichtig, dass soziale Gemeinsamkeiten die Grundlage für die Segmentierung liefern. Jenseits dieser grundsätzlichen Gemeinsamkeit, gibt es aber Unterschiede danach, ob die soziale Lage, die hinter dem Handeln stehenden Wertorientierungen oder gemeinsame Handlungsweisen als Merkmalsdimension angewendet werden.

Gegen soziodemografische und sozioökonomische Gruppen (häufig zusammengefasst zu sozialer Lage) spricht, dass in modernen, sich zunehmend ausdifferenzierenden Gesellschaften Gruppen, die nach diesen „klassischen“ Merkmalsausprägungen gebildet werden, immer seltener homogen hinsichtlich ihrer Interessen und Erwartungen, ihrem Engagement oder auch ihrem Handeln sind. Daher wurden vor allem in der Marktforschung, die sehr stark auf die gezielte Information bestimmter KundInnen ausgerichtet ist, soziokulturelle Kategorien zur Klassifikation herangezogen. In diesem Ansatz stehen gemeinsame Wertvorstellungen und Verhaltensweisen als Gruppierungs-Prinzip im Vordergrund, allerdings ist der Aufwand, diese Gruppen zu bestimmen, deutlich höher.

Jeweilige Zielgruppen zu identifizieren ist also unterschiedlich aufwändig; das Ergebnis führt aber auch zu unterschiedlich homogenen Gruppen hinsichtlich des jeweiligen Verhaltens und der dahinterliegenden Wertvorstellungen. Die Treffsicherheit kann jedoch durch die Kombination von Kriterien optimiert werden.

Kriterium Vorteile Nachteile
Situative Zielgruppen Leicht erreichbar, über Aktionen möglich; keine analytische Vorarbeiten notwendig Oftmals vorerst unbekannte Interessens-Unterschiede – daher keine hinsichtlich der Ziele homogene Zielgruppe
Institutionelle Zielgruppen Sehr leicht erreichbar, teils über Erlasse/Gesetze/Gebote; über Aktionen möglich; keine analytische Vorarbeiten notwendig Oftmals in der Regel bekannte Interessens-Unterschiede – daher keine hinsichtlich der Ziele homogene Zielgruppe
Zielgruppen nach sozialer Lage (soziodemografisch und sozioökonomisch definiert) Hinsichtlich der zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten (Ressourcen und Constraints) relativ homogen, gewisse lebensweltliche Ähnlichkeiten Trotz der Gemeinsamkeiten eine größere Spannweite hinsichtlich der Einstellungen, Werte und dem Mobilitätsverhalten – lediglich nach Handlungsspielräumen ähnliche Ausprägungen, nicht notwendigerweise auch gemeinsamer Mobilitätsstil; gewisse analytische Einordnung notwendig
Soziale Milieus Es werden die tieferliegenden Aspekte erfasst, die letztlich das individuelle Handeln bestimmen Nicht auf den ersten Blick zu erfassen, weil man es den Menschen nicht wirklich ansehen kann, was sie denken; es bedarf einer analytischen Vorarbeit – gute Zielgruppen, die über ihre Motivation und grundlegenden Werte ansprechbar sind
Lebensstil-Gruppen / Verhaltenshomogene Gruppen Menschen mit gleichem/sehr ähnlichen Verhalten in relevanten Feldern Trotz allem gemeinsamen Handelns können deutliche Unterschiede hinsichtlich der demografischen, ökonomischen und kulturellen Merkmalen bestehen – in diesen Zielgruppen können die Möglichkeiten zu Verhaltensänderungen aufgrund unterschiedlicher Spielräume und/oder Einstellungen und Werthaltungen variieren; eine gewisse analytische Vorarbeit ist notwendig.

Beeinflussung unterschiedlicher Zielgruppen

Innerhalb der gängigen Beteiligungsverfahren (s. Beteiligungs-Methoden) und in Aktionen der unterschiedlichen ‚urban mobility labs‘ und anderer ‚urban living labs‘ (s. Living Labs) werden in der Regel die ersten beiden Arten von Zielgruppen angesprochen, häufig ohne die Möglichkeit für analytische Analysen im Vorfeld. Es werden allenfalls Hinweise auf askriptive Merkmale aufgenommen (es waren eher Frauen da, Jugendliche waren nicht vertreten, MigrantInnen sind nicht gekommen). Innerhalb solcher Treffen ist es zwar möglich, Informationen zu geben, Einschätzungen abzufragen oder neue Mobilitätsangebote auszuprobieren, aber die Ansprache und die daraus abgeleiteten Strategien können kaum zielführend weitergeführt werden, d.h. sie sind hinsichtlich der gesteuerten Wirksamkeit nicht ausreichend effizient und effektiv. Zudem lassen sich die Ergebnisse kaum auf andere sozialräumliche Gegebenheiten übertragen.

Für die drei letztgenannten Gruppen bedarf es einer zusätzlichen Analyse vor Ort – allerdings mit unterschiedlichem Aufwand. Die soziale Lage lässt sich mit ein paar Fragen ermitteln, für die beiden letztgenannten ist es etwas aufwändiger. Ein für die Kombination der beiden zuletzt genannten Gruppen-Typen praktikables Tool wurde im Forschungsprojekt pro:motion angelegt. Den relativen Ertrag von räumlichen, sozioökonomischen, soziodemografischen und soziokulturellen Merkmalen zur Erklärung ausgewählten Mobilitätsverhaltens wurde im m2k-Projekt gezeigt.

In umfangreicheren Planungsprozessen wäre es notwendig, Beteiligungsverfahren stärker mit den drei letztgenannten Typologien zu verschneiden. Das kann z.B. innerhalb von Fokusgruppen (s. Beteiligungs-Methoden) durchgeführt werden resp. kann man Fokusgruppen entlang der drei letztgenannten Typologien zusammensetzen (homogen oder gezielt gemischt).