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Benachteiligungstypologien

MigrantInnen

Die Alltagsmobilität von MigrantInnen hat bislang wenig Beachtung innerhalb der wissenschaftlichen Bearbeitung in Österreich erhalten. Der ÖAMTC hat diesbezüglich 2014 eine Studie zum Mobilitätsverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund veröffentlicht.

Projekte

  • Mama fährt Rad
In Anlehnung an erfolgreiche Angebote wie Mama lernt Deutsch wurde in Wien das Pilotprojekt Mama fährt Rad gestartet. Ziel war es, Migrantinnen die Möglichkeit zu geben, selbst aktiver unterwegs zu sein. Als zusätzlicher Effekt sollte durch das Fahrradfahren die Integration in die österreichische Gesellschaft unterstützt, die Kultur besser kennengelernt und gleichzeitig etwas für die Umwelt und die eigene Gesundheit getan werden. Weitere relevante Forschungsergebnisse zum Radfahren mit Migrantinnen sind hier zu finden.

Gender

Zahlreiche Frauen und Männer sind aufgrund verschiedener privater, beruflicher oder gesellschaftlicher Verpflichtungen in ihrem Mobilitätsverhalten eingeschränkt. Aufgrund der unterschiedlichen Rollenzuschreibungen sind die innerhäuslichen und außerhäuslichen Aktivitäten häufig mit gesellschaftlichen Erwartungen an die Geschlechter verbunden. Mit diesen erwarteten Aufgaben sind zu meist auch Mobilitätsmuster und Wege(ketten) verbunden. Danach legen (nicht oder teilzeit-erwerbstätige) Frauen im Durchschnitt mehr Wege im Alltag zurück; die zudem mehr Zeit in Anspruch nehmen und seltener mit dem Pkw zurückgelegt werden. Diese Unterteilung wird jedoch zunehmend unklarer, als gerade Frauen ein sehr unterschiedliches Mobilitätsverhalten aufweisen, während das der (erwerbstätigen) Männer deutlich homogener ist.

Die Rollenzuschreibungen innerhalb gleichgeschlechtlicher Paare resp. gegenüber Menschen mit einer Einordnung jenseits von „Mann“ und „Frau“ sind diese Rollenerwartungen und -verteilungen eher privat geregelt und bislang noch nicht Gegenstand der Mobilitätsforschung gewesen.

Projekte

Österreich

  • Broschüre „Gender Mainstreaming und Mobilität in Niederösterreich
Diese Broschüre "Gender Mainstreaming in Niederösterreich" der Schriftenreihe des Niederösterreichischen Landesverkehrskonzepts gibt einen Überblick über den Unterschied zwischen Frauen und Männern in Bezug auf ihre Mobilität. Zudem wird dort die politisch fundierte Strategie des Gender Mainstreaming mit dem Thema Verkehr und Mobilität in Zusammenhang gebracht. Daten aus der Mobilitätserhebung des Jahres 2003 bilden die Grundlage für eine nach Geschlecht differenzierte Datenaufbereitung. Außerdem werden mehrere good-practice-Beispiele aus ganz Europa vorgestellt. Diese Broschüre hat die Genderdiskussion im Verkehrs- und Mobilitätsbereich in Niederösterreich in Gang gesetzt und ist Ausgangspunkt für weitere Entwicklungen in diesem Bereich.
  • Forschungsprojekt und Publikation „Frauenwege - Männerwege“. Entwicklung von Methoden zur gendersensiblen Mobilitätserhebung
Das Forschungsprojekt "Frauenwege - Männerwege. Entwicklung von Methoden zur gendersensiblen Mobilitätserhebung" wurde vom österreichischen Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie beauftragt. Dabei wurden gängige Methoden der Verkehrs- und Mobilitätserhebungen in Österreich analysiert, unter Genderaspekten beurteilt und bewertet. Zentrales Ergebnis war, dass in den bestehenden Studien zumeist nur bestimmte Alltagssituationen und Lebenszusammenhänge abgefragt wurden. So wurden in der Regel z.B. Aspekte des Mobilitätsverhaltens von Menschen mit Betreuungspflichten (oftmals Frauen) ausgeblendet.
Daher wurde ein gendersensibler Fragebogen entwickelt, mit dem Wegeketten, Wegezwecke und weiter Einflussfaktoren differenzierter erhoben werden können. Jedoch blieben die Fragen an die bestehenden Mobilitätserhebungen angelehnt, um eine gewisse Vergleichbarkeit sicherzustellen. Unter anderem stellte sich heraus, dass sowohl Frauen als auch Männer 40% ihrer Wege in Begleitung zurücklegen. Frauen werden dabei eher von Kindern, Männer eher von anderen Erwachsenen begleitet.
  • Der Gmoa-Bus in Pöttsching, Burgenland
Das flexible Bus-Taxi verfügt über acht Sitzplätze und steht allen BewohnerInnen der Gemeinde nach telefonischer Voranmeldung zur Verfügung. Sie werden individuell von Haustür zu Haustür chauffiert. Dafür ist ein Entgelt zu entrichten.
Der GmoaBus in Pöttsching ist ein Erfolgsmodell und Vorzeigebeispiel für den ländlichen Raum, denn besonders in peripheren Gebieten fehlt es oftmals an dichten öffentlichen Verkehrsnetzen und die Möglichkeit, unterwegs zu sein, ist oft sehr eingeschränkt.
Diese innovative Lösung wurde mit Hilfe von zwei Planungsbüros und dem Bundeministerium für Verkehr, Innovation und Technologie entwickelt. Besonders Frauen standen im Fokus des Projektes, weil ein wichtiges Ziel darin bestand,Begleit- und Erledigungswege einfacher zu ermöglichen.

Schweiz

  • Planungsprozess „Bahnhofsplatz Bern - Fachfrauen gestalten mit"
Hauptverantwortlich für dieses Projekt war die sich aus verschiedenen Expertinnen zusammensetzende Fachfrauengruppe Bahnhofsplatz FFB. Dabei kamen Expertinnen aus den Bereichen Planung, Architektur, Verkehr und Gleichstellung zusammen. Dies stellte ein Novum in der ansonsten sehr männerdominierten Planungswelt dar. Durch einen Beschluss des Stadtparlaments wurde sichergestellt, dass die Frauenfachgruppe das Projekt von Anfang an begleiten wird, wobei ihr gleichzeitig eine stärkere Gewichtung durch diesen politischen Beschluss verliehen wurde. Natalie Herren wurde mit der Bildung und Leitung der Gruppe beauftragt.
Zentrale Anliegen der Frauen waren unter anderem: Mitbestimmung/Partizipation, Wegführung, Orientierung, Belebung, Licht, Material und Erhaltung. Eine attraktive und sichere Unterführung des Bahnkörpers mit gut einsehbaren Ein- und Ausgängen konnte somit errichtet werden.

Deutschland

  • Belange von Frauen / Gender Meinstreaming im ÖPNV in der Region Hannover
Das Projekt Gender Mainstreaming in Hannover hat das strategische Ziel, die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern zu unterstützen.
Bereits seit den 1990er Jahren arbeitet das Bundesland Niedersachsen daran, die Anliegen von Frauen bei der Planung von Anlangen des öffentlichen Personenverkehrs zu berücksichtigen.
Im Jahr 2003 wurde festgeschrieben, das Nahverkehrspläne bestimmte Gesichtspunkte beinhalten müssen. Bestandsaufnahmen mit geschlechterspezifischen Datenerhebungen inkl. Mängelanalysen, Zielformulierungen zur Berücksichtigung des Versorgungs- und Freizeitverkehrs und Entwicklungen von gleichstellungsorientierten Maßnahmen.
Im Jahr 2008 wurde der Nahverkehrsplan um folgende Empfehlungen erweitert: Es wurden zeitlich besser koordinierte Fahrpläne erstellt, die besonders für frauentypische Arbeitsstätten und -zeiten (z.B. Krankenhäuser, Pflegeheime, Schichtbetriebe, etc.) ausgerichtet wurden. Zudem wurde das Netz dahingehend ausgebaut, dass die Fußwege verkürzt werden und die Sicherheit durch diverse infrastrukturelle Einrichtungen erhöht werden konnte. Tariflich wurde das Begleitticket angeboten und eine kostenfreie Fahrradmitnahme ermöglicht.
  • Verkehrssicherheit: Sicher mit Bus & Bahn in der Region Hannover
In Hannover existieren bereits verschiedene Maßnahmen zum Thema Sicher mit Bus & Bahn. Zentrales Thema ist die Gewalt im öffentlichen Raum zu verringern. Wird der öffentliche Personennahverkehr negativ eingeschätzt, äußert sich dies unter anderem in rückläufigen NutzerInnenzahlen. Von der Gewalt in öffentlichen Verkehrsräumen sind Frauen oder Minderheiten häufiger betroffen; daher werden diese - insbesondere zu Zeiten mit wenigen Mitreisenden - häufig gemieden.
Seit dem Jahr 1999 werden aus diesen Gründen auf die Mobilität und den Verkehr bezogene Leitlinien in der Region Hannover umgesetzt: Das generelle Wohlbefinden soll erhöht werden, wobei gleichzeitig die Zivilcourage gestärktund trainiert wird.

Soziokulturelle Gruppen (soziale Milieus, Lebensstile)

In der sozialwissenschaftlichen Ungleichheitsforschung und in der Marktforschung wurden seit den 1980er Jahren verstärkt Milieu- und Lebensstilforschungen und -projekte durchgeführt, um das zunehmend ausdifferenzierte Verhalten in der Bevölkerung verstehen, erklären und beeinflussen zu können. Während die Milieu-Modelle auf allgemeinen Werten und Einstellungen zu unterschiedlichen Bereichen des Alltags basieren, fassen Lebensstil-Modelle Menschen mit sehr ähnlichen Verhaltensweisen zusammen. Unter einem Mobilitätsstil werden solche Personen zusammengefasst, die ein ähnliches Mobilitätsverhalten zeigen.
Im Gegensatz zu den sozioökonomischen und soziodemografischen Informationen, die im Rahmen der Amtlichen Statistik eindeutig definiert und klassiert werden, gibt es für die soziokulturellen Aspekte bislang kein einheitliches Vorgehen (hinsichtlich der zentralen Dimensionen, der Operationalisierung und des Zusammenfassens innerhalb multivariater statistischer Verfahren).
Während die Marktforschungs-Institute ihre Vorgehensweise nur ansatzweise offenlegen (Betriebsgeheimnis), haben sich in der deutschsprachigen Literatur die Ansätze von Gerhard Schulze (1992)[1], Michael Vester und seine MitarbeiterInnen (2001)[2] sowie Gunnar Otte (2004, 2005)[3], [4] (der sei Milieumodell ein Model des „Lebensstils“ resp. des „Lebensführungsstils“ nennt) durchgesetzt. Teilweise beziehen sich die Marktforschungsinstitute auf diese und weitere theoretische Quellen (beispielsweise Bourdieu 1992[5]).

SINUS-Milieus

In der Folge wird ein Modell aus der Marktwirtschaft vorgestellt, das sich in sehr unterschiedlichen Konsum- und Verhaltensbereichen bewährt hat und das in einigen FFG-geförderten Mobilitätsprojekten (u.a. pro:motion und mobility2know) erfolgreich angewendet wurde (Dangschat 2018[6]).
Das Marktforschungsinstitut SINUS hat zusammen mit INTEGRAL speziell für Österreich 10 Milieus definiert, die die Lebensstile der hiesigen Bevölkerung, aufgrund jahrelanger Markt- und sozialwissenschaftlicher Forschung abbilden. Die einzelnen Milieus werden in ihrer Charakteristik unter dem oben genannten link beschrieben.
Sinus-Milieus in Österreich
Die zehn SINUS-Milieus© sind in ein Koordinatensystem eingebunden, die auf der x-Achse das traditionelle Schichtungsmodell und auf der y-Achse spezifische Wertvorstellungen abbildet, die sich (von links nach rechts) zunehmend in der Gesellschaft in Österreich herausgebildet haben. Die Milieus fassen Menschen mit ähnlichen Auffassungen und Wertvorstellungen (zustimmend oder ablehnend) zusammen.

Der Milieu-Ansatz in der Mobilitätsforschung

Innerhalb des Projektes mobility2know_4_ways2go wurden die SINUS-Milieus erstmalig in einem Mobilitätsprojekt in Österreich angewendet und hinsichtlich der Erklärungskraft unterschiedlicher Aspekte des Mobilitätsverhaltens gegenüber den klassischen sozioökonomischen und soziodemografischen Typologien sowie einer sehr differenzierten Raumkategorie (aus über 50 Indikatoren der Erreichbarkeit wesentlicher Einrichtungen) getestet.

Erklärungsmodell des Verhaltens aus Kategorien sozialer Ungleichheit, sozialer Milieus, Lebens- und Mobilitätsstilen und des Raumes © Jens S. Dangschat

Verhaltenshomogene Gruppen / Mobilitätsstile

Schon in den 1970er Jahren hatte der Verkehrsforscher Kutter (1973)[7] den Versuch unternommen, aus der Alltagsmobilität „verhaltenshomogene Gruppen“ abzuleiten. Neben der Erwerbstätigkeit, die damals noch stark „voll erwerbstätig“ (mit noch über acht Stunden Arbeitszeit pro Tag resp. Samstag als Arbeitstag) und „nicht erwerbstätig“ polarisiert war, waren diese Gruppen hinsichtlich der strukturellen Merkmalen oftmals sehr heterogen.

Im sozialwissenschaftlichen Bereich haben sich Konrad Götz und seine MitarbeiterInnen (2016)[8] intensiv mit Mobilitätsstilen befasst und dezidiert beschrieben, mit welchen methodischen Schritten sie zu ihrer Typologie gelangen. Für diese gibt es jedoch bislang kein normiertes Vorgehen (Art und Anzahl der Subdimensionen, Operationalisierung und Messung der einzelnen Indikatoren, Verrechnungsmodus, Art und Kombination statistischer Verfahren). Zudem sind die Ergebnisse stark von der Stichprobe selbst abhängig; daher sind Verallgemeinerungen kaum zulässig.

Mobilitätsstile nach Marcel Hunecke (et al.)

Der Sozialpsychologe Marcel Hunecke hat sich in mehreren Forschungsprojekten (u.a. MOBILANZ) mit den psychologischen und sozialen Aspekten der Erforschung der Mobilitätsstile befasst.

Mobile Lifestyles 2040

Das Zukunftsinstitut hat zusammen mit dem ADAC e.V. eine Typologie der Mobilitätsgesellschaft von morgen erarbeitet. Durch die starke Individualisierung der Gesellschaft wird bis zum Jahr 2040 ein vielseitiges Spektrum mit unterschiedlichen Ansprüchen, Gewohnheiten und Notwendigkeiten erwartet. Aus den Überlegungen heraus werden neun Mobilitätsstile definiert, welche die Mobilität der Zukunft entscheidend prägen werden.

Informationsbedürfnisgruppen

Im FFG-geförderten Projekt pro:motion hat in einem Bericht Möglichkeiten zur Förderung von aktiver Mobilität durch Zielgruppenorientierung und -motivation beschrieben. Unter der Einbeziehung von sozialwissenschaftlichen Ansätzen wurde versuch möglichst homogene Gruppen zu identifizieren, die bestimmte Informationen benötigen, um besonders auf ein Angebot anzusprechen. Argumente wie Gesundheit, Umwelt, Kosten, Image, oder Erlebnis wurden im Rahmen der Befragung ermittelt. Dabei sind folgende Informationsbedürfnistypologien hervorgegangen:

Spontan - On the Go

Diese Gruppe ist durch hohe Schnelligkeit und Spontanität gekennzeichnet, mit welcher sie Informationen erwarten, aufnehmen und verarbeiten. Sie sind vergleichsweise ungeduldig und wollen präzise Informationen, da sie meist erst unterwegs die Reiseroute im Detail planen. Mittels mehrerer Apps werden diese Informationen am Smartphone abgefragt, Papier und Internetbrowser werden kaum verwendet. Durch einen mobilen, flexiblen und nicht von Routinen behafteten Lebensstil ist diese Gruppe täglich auf viele Informationen angewiesen.

Hoch informierte Nachhaltigkeit

Personen dieser Gruppe suchen bzw. rezipieren verkehrs- bzw. mobilitätsbezogene Informationen proaktiv. Sie befassen sich ausführlich mit aktuellen Angelegenheiten und Themen. Sie unterscheiden bezüglich ihres Informationsbedürfnisses zwischen alltäglich relevanten Informationen auf der einen Seite und Information, die zum Aufbau bzw. zur Erhaltung ihres Hintergrundwissens dienen, auf der anderen. Erstere werden ähnlich wie bei der Spontan – On the Go-Gruppe schnell und unkompliziert erwartet. Für tiefergehende Information, die ihrem Hintergrundwissen dienen, sind Menschen dieses Typus gerne bereit, längere Zeit zu investieren.

Effizienz-Orientiert

Effizienz orientierte Verkehrsteilnehmer nehmen ausschließlich Informationen auf, die sie selbst zur Erfüllung eines bestimmten Ziels brauchen. Ähnlich wie die Spontan – On the Go-Gruppe und die Gruppe der Hoch informierten Nachhaltigkeit benötigt auch diese Gruppe eine Vielzahl an Informationen und erhält diese meist ebenso via Smartphone oder anderer moderner digitaler Kanäle. Im Unterscheid zur ersten Gruppe sind diese etwas geduldiger.

Interessiert-Konservativ

Personen des Informationsverhaltenstypus Interessiert-Konservativ benötigen für ihre alltäglichen Wege nur ein eher durchschnittliches Ausmaß an Informationen. Bei längeren Wegen oder Urlaubsreisen ist dieser Bedarf jedoch deutlich höher. Auch die Art und Weise der Informationsabfrage ist bei dieser Gruppe anders: Sie bevorzugt größtenteils eine vor dem Weg ausgedruckte Information. Smartphones und digitale Kanäle stehen zwar zur Verfügung, werden aber nur selten für mobilitäts- bzw. verkehrsrelevante Informationsabfragen genutzt. Sie können allgemein als umweltfreundlich und nachhaltig denkend charakterisiert werden.

Niedriger Informationsbedarf

Diese Gruppe definiert sich durch ihren geringen Informationsbedarf. Sowohl subjektiv als auch objektiv betrachtet, benötigen Personen dieser Gruppe wenige mobilitäts- bzw. verkehrsrelevante Informationen. Dies ist vor allem durch ein gleichbleibendes Mobilitätsverhalten in kleinräumiger Umgebung und eine geringe Bereitschaft gekennzeichnet, das Mobilitätsverhalten zu ändern. Mit digitalen Informationstechnologien ist diese Gruppe durchaus vertraut, setzt aber bei der tatsächlichen Mobilitätsabfrage oft auf persönlichen Kontakt in ihrem direkten, kleinräumig stabilen Umfeld.

Digital Illiterates

Digital Illiterates benötigen keine oder nur sehr wenige mobilitäts- bzw. verkehrsrelevante Informationen. Zum einen wollen Angehörige dieser Gruppe ihr vertrautes Mobilitätsverhalten nicht mehr verändern, da sie sich auch überwiegend auf bekannten Wegen innerhalb eines vertrauten Umfelds bewegen. Zum anderen sind einige von ihnen in ihrer Mobilität aufgrund von ökonomischen, gesundheitlichen oder auch anderen Gründen eingeschränkt. Man verlässt sich in dieser Gruppe eher auf die Hilfe anderer, als dass man sich aktiv die Informationen selbst verschafft. Die Digital Illiterates sind nicht sehr tech-affin und weniger mit Apps und digitalen Services vertraut.

Soziodemografische Gruppen

Wie eine Reihe empirischer Untersuchungen gezeigt hat, bilden Altersgruppen keine homogene Einstellungs- oder Handlungskategorie. Eine Möglichkeit besteht darin, innerhalb der Altersgruppen nach Milieu- oder Lebensstil-Kategorien oder nach der sozialen Lage (als Kombination aus sozialem Status und Familien-Typ) zu unterscheiden. Die Gruppe älterer Menschen wird häufig nach ihrem Gesundheitszustand unterteilt, da dieser eine entscheidende Kategorien dafür ist, wie eigenständig man noch mobil sein kann. Häufig wird der Gesundheitszustand innerhalb von Verkehrs- und Mobilitätsstudien nicht erhoben, sondern ersatzweise wird die Gruppe der über 60-/65-Jährigen in Teilgruppen unterteilt: „junge Alte“/dritte Lebensphase (60/65-75 Jahre) und Betagte/Hochbetagte/„oldest old“ (>75 Jahre) als vierte Lebensphase.

  • MiD Ergebnisbericht
Der Mobilität in Deutschland Ergebnisbereicht gibt Aufschluss über den Einfluss von Alter und anderen sozioökonomischen Faktoren auf das Mobilitätsverhalten.
  • Mobilitätsbezogene Einstellungen beim Übergang vom Kindes- ins Jugendlichenalter
Bastian (2010)[9] hat sich mit der Konstituierung von mobilitätsbezogenen Einstellungen und Werthaltungen in der Frühadoleszenz (14 bis 16 Jahre) befasst.
  • Einfluss des elterlichen Mobilitätsverhaltens
Dass vor allem Kinder und Jugendliche auf das Mobilitätsverhalten ihrer Eltern reagieren und häufig dazu neigen, dieses zu übernehmen, ist durch unterschiedliche Studien (z.B. Baslington 2008[10], Flade & Limbourg o.J.[11]., Haustein et al. 2008[12]) belegt.

Veränderungen auf individueller Ebene (Wandel im Lebenszyklus, Umzug)

Ein anderer Zugang ist, die Veränderungen im Laufe eines Lebens auf ihren „Auslöser“ hin zu analysieren. Einschneidende Lebensereignisse wie Umzug, Geburt, Trennung/Scheidung, Führerscheinerwerb wirken sich sehr häufig auf das Mobilitätsverhalten der betroffenen Personen aus. In der Regel steht die Frage im Mittelpunkt, ob in diesem Kontext ein Pkw an- oder abgeschafft wurde.

Verhaltensänderungsphasen

In der Demographie geht man davon aus, dass Menschen im Verlauf ihres Lebens bestimmte Phasen durchlaufen. Auch wenn man mittlerweile nicht mehr von einem „Standard-Normal-Lebenszyklus“ ausgeht (d.h. einer geregelten linearen Abfolge: Kindheit, Jugend, Elternschaft, Kinder aus dem Haus, Witwe), lassen sich vor allem den Phasenübergängen bestimmte Wohnstandort- und Mobilitäts-Präferenzen zuordnen (Scheiner & Holz-Rau 2015[13]).

Lisa Döring (2015)[14] beschreibt unterschiedliche biografische Effekte auf die Mobilitätsbiografie als Abbild des individuellen Mobilitätsverhaltens im Lebensverlauf. Dabei steht die Mobilitätsbiografie in einer Wechselwirkung mit anderen Teilbiografien (beispielsweise Haushalts-, Erwerbs- oder Ausbildungsbiografie). Eine Mobilitätsbiografie wird jedoch nicht ausschließlich von individuellen Faktoren beeinflusst, sondern räumliche (Erreichbarkeit), technische (Verkehrssystem), politische, zeitliche und soziale Rahmenbedingungen, sowie die Biografien von Angehörigen können das eigene Mobilitätsverhalten im Laufe des Lebens verändern.

  • Von der Biografie zur Multigrafie
Von der Biografie zur Multigrafie
Das Zukunftsinstitut hat zusammen mit dem ADAC e.V. eine Typologie der Mobilitätsgesellschaft von morgen erarbeitet. Darin wird unter anderem auf die immer Individueller werdenden Lebensläufe der Menschen eingegangen. Mittels der Überschrift Von der Biografie zur Multigrafie (siehe Abbildung rechts) soll die sprunghafte und teils unvorhersehbare Entwicklung von verschiedenen Personen in der heutigen Zeit skizziert werden. Aus einem klassischen dreiphasigen Lebensablauf wird eine flexible Lebensführung. Damit einhergehend verschieben sich natürlich auch die Bedürfnisse, Motivationen und Erwartungen der VerkehrsteilnehmerInnen.

Einzelnachweise

  1. Schulze, Gerhard (1992): Die Erlebnisgesellschaft: Kultursoziologie der Gegenwart. Frankfurt am Main & New York: Campus.
  2. Vester, Michael; von Oertzen, Peter; Geiling, Heiko; Hermann, Thomas & Müller, Dagmar (2001): Soziale Milieus im gesellschaftlichen Strukturwandel. Zwischen Integration und Ausgrenzung. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  3. Otte, Gunnar (2004): Sozialstrukturanalysen mit Lebensstilen. Eine Studie zur theoretischen und methodischen Neuorientierung der Lebensstilforschung. Wiesbaden: VS – Verlag für Sozialwissenschaften.
  4. Otte, Gunnar (2005): Entwicklung und Test einer integrativen Typologie der Lebensführung für die Bundesrepublik Deutschland, In: Zeitschrift für Soziologie 34 (6): 442-467.
  5. Bourdieu, Pierre (1992): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  6. Dangschat, Jens S. (2018): Soziale Milieus in der Mobilitätsforschung. In: Barth, B.; Flaig, B.B.; Schäuble, N. & Tautscher, M. (Hrsg.): Praxis der Sinus-Milieus©. Wiesbaden: Springer VS: 139-154.
  7. Kutter, Eckhard (1973): Aktionsbereiche des Stadtbewohners. Untersuchungen zur Bedeutung der territorialen Komponente im Tagesablauf der städtischen Bevölkerung. In: Archiv für Kommunalwissenschaften, Heft 12: 69-85.
  8. Götz, Konrad; Deffner, Jutta & Klinger, Thomas (2016): Mobilitätsstile und Mobilitätskulturen – Erklärungspotenziale, Rezeption und Kritik. In: Schöller, O.; Canzler, W. & Knie, A. (Hrsg.): Handbuch Verkehrspolitik. Wiesbaden: VS – Verlag für Sozialwissenschaften: 781-804.
  9. Bastian, Thomas (2010): Mobilitätsbezogene Einstellungen beim Übergang vom Kindes- ins Jugendlichenalter. Querschnittliche Altersvergleiche bei 14- bis 16-Jährigen. Wiesbaden: Springer VS.
  10. Baslington, Hazel (2008): Travel Socialization: A Social Theory of Travel Mode Behavior. In: International Journal of Sustainable Transportation 2 (2): 91-141.
  11. Flade, Antje & Limbourg, Maria (o.J.): Das Hineinwachsen in die motorisierte Gesellschaft – Eine vergleichende Untersuchung von sechs deutschen Städten. [1]
  12. Haustein, Sonja; Klöckner, Christian A. & Blöbaum, Anke (2008): Car use of young adults: The role of travel socialization. In: Transportation Research Part F – Traffic Psychology and Behaviour 12 (2):168-178.
  13. Scheiner, Joachim & Holz-Rau, Christian (2012): Changes in travel mode use after residential relocation: A contribution to mobility biographies. In: Transportation 40 (2): 431–58.
  14. Döring, Lisa (2015): Biografieeffekte und intergenerationale Sozialisationseffekte in Mobilitätsbiografien. Wiesbaden. Springer VS.