Gestaltung öffentlicher Räume

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Ein wesentlicher Faktor für die Lebensqualität in Städten und Gemeinden ist die attraktive Gestaltung des öffentlichen Raumes. Sie ist zudem ein wichtiges Feld, in dem Städte und Gemeinden aktiv ihre Attraktivität für ihre Bewohner*innen und Tourist*innen beeinflussen können. In einen attraktiven öffentlichen Raum kann aktive Mobilität (zu Fuß, mit dem Rad, dem Tretroller, Scates, etc.) gelebt werden, d.h. bei der Gestaltung des öffentlichen Raumes müssen Mobilitäts- und Wegeketten der Menschen mitgedacht werden, damit die unterschiedliche Funktionalität von Straße und Plätzen erhalten bleibt resp. wieder gestärkt wird.

Die aktuellen Maßnahmen zur Verkehrs- und Mobilitätswende sehen explizit eine Um- und Neuverteilung des öffentlichen Raumes zu Lasten des motorisierten Individualverkehrs (MIV) und zu Gunsten der aktiven Mobilität und der Aufenthaltsqualität vor. Das bedeutet jedoch nicht nur eine gestalterische Anpassung, sondern auch die neu entstehenden Verteilungskonflikte der bestehenden (z.B. Konflikt mit E-Scootern) und zu erwartenden Mobilitätsmodi (Infrastrukturen für mobility points und mobility hubs, Ladestationen für E-Mobilität, Park- und Fahrplatz für neue Fahrzeuge der Micro-Mobilität, Lieferboxen, Drohnen) pro-aktiv zu Gunsten nachhaltiger Mobilitätsformen zu gestalten.

Die Gestaltung des öffentlichen Raumes hinsichtlich der Funktionalität, der Materialität, der Ästhetik und des Sicherheitsbedürfnisses unterschiedlicher vulnerabler Gruppen ist notwendig, aber nicht hinreichend, denn die Attraktivität der öffentlichen Räume gilt es zu erhalten und hinsichtlich sich verändernder Nutzungserwartungen gerade durch eine veränderte Mobilität entsprechend zu adaptieren. Hierzu sind entsprechende Beteiligungsverfahren anzuwenden und weiter zu entwickeln.

Aufenthaltsqualität

Für die Wahrnehmung der Qualität des öffentlichen Raumes ist es wichtig, dass sich Menschen dort wohlfühlen, sich gerne aufhalten, sich sicher fühlen. Dazu muss der Zugang nicht nur baulich barrierefrei, sondern auch in ausreichenden Teilen konsumfrei und frei von Anfeindungen und Diskriminierungen sein. Der öffentliche Raum sollte auch ein Ort sein, an dem das „Recht auf Immobilität“ für alle gilt. Das setzt voraus, dass die Regeln einens rücksichtsvollen Verhaltens – geschriebene und ungeschriebene Gültigkeit haben und dieses auch durchgesetzt wird.

Durch die Entwicklung der Micro-Mobilität und der Elektrifizierung von unterschiedlichen Fahrzeugen entsteht ein Bedrohungspotenzial der Sicherheit und der Aufenthaltsqualität, falls auf den Fußwegen und den Plätzen die unterschiedlich schnellen Bewegungsformen (und Gewicht und Masse der Verkehrsmittel) nicht getrennt werden. Gerade Elektrofahrzeuge sind kaum hörbar und stellen für Fußgänger eine (zunehmende) Gefährdung dar.

Fußgänger-Freundlichkeit (Walkability)

Ein wesentlicher Baustein einer gesundheitsförderlichen Raumentwicklung und -gestaltung ist die Fußgänger-Freundlichkeit. Diese beschreibt, inwieweit durch –Straßenräume, Wege, Plätze und Parks das Gehen als wichtigste aktive Verkehrsform angeregt und gefördert wird[1] [2] (Robertson-Wilson/Giles-Corti 2010; New Zealand Agency 2009).

Um die Fußgänger-Freundlichkeit messen zu können, wurden in der internationalen Debatte die fünf „D“ entwickelt (Ewing/Cervero 2010; Campoli 2012):

  • „Density“: Bevölkerungs- resp. Bebauungsdichte (Einwohner*innen, resp. Wohneinheiten pro km²),
  • „Diversity“: Grad der Nutzungsmischung,
  • „Design“: Funktionale Gestaltung von Straßen, Fuß- und Radwegen sowie die Vernetzung der Straßen,
  • „Destination accessibility“: Erreichbarkeit von Zielen des täglichen Bedarfs oder die zeitliche Dauer von Wegen,
  • „Distance to transit“: Distanzen zur nächsten ÖV-Haltestelle

Die Studie Studie des Institutes für Stadtplanung und Städtebau der Universität Duisburg-Essen Messung und Erfassung der Fußgängerfreundlichkeit von Straßenräumen liefert einen Baustein, wie die Fußgänger-Freundlichkeit auf verschiedenen Maßstabsebenen mit Hilfe von digitalen Tools gemessen, erfasst und evaluiert werden kann.

Weitere Initiativen zur Umgestaltung des (suburbanen) öffentlichen Raumes für eine verbesserte Fußgänger-Freundlichkeit kommen vom nonprofit-Netzwerk SPUR in der San Francisco Bay, die einschlägige Projekte vernetzen und fördern.

Begegnungszone

Im Jahr 2013 wurde die „Begegnungszone“ als neue Form der Gestaltung des Straßenraumes in einer Novelle der österreichischen Straßenverkehrsordnung eingeführt. In Begegnungszonen können Fußgänger den gesamten Straßenraum benützen. Alle Verkehrsteilnehmenden sind bei der Benützung einer Begegnungszone zu besonderer Rücksichtnahme aufgefordert: Zu Fuß Gehende und Radfahrende dürfen weder gefährdet noch behindert werden, jedoch dürfen diese den Fahrzeugverkehr nicht mutwillig behindern. Im Regelfall gilt für alle Fahrzeuge eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h (auch für Fahrräder), unter bestimmten Voraussetzungen können jedoch auch Begegnungszonen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h eingerichtet werden. Das Parken von Kraftfahrzeugen ist in Begegnungszonen nur an gekennzeichneten Stellen erlaubt. Seit der Aufnahme in die Straßenverkehrsordnung wurden in zahlreichen Gemeinden Österreichs Begegnungszonen eingerichtet.

Das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) führte im Jahr 2017 gemeinsam mit dem Verkehrsplanungs-Büro Rosinak & Partner eine Evaluierung von Begegnungszonen durch.

Einen Überblick über bereits umgesetzte und verordnete Begegnungszonen in Österreich bietet der Verein walk-space.at an.

Straßenraum-Gestaltung (street design)

Im Masterplan Gehen des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) wird unter anderem die Maßnahme Gestaltung öffentlicher Räume unter besonderer Berücksichtigung FußgängerInnen-freundlicher Qualitätsstandards festgeschrieben. Der öffentliche Straßenraum soll vom Funktionsraum zum Aufenthalts- und Erlebnisraum im Sinne von beobachten, das Umfeld wahrnehmen, soziale Nähe suchen, sich Aufhalten, Kommunikation entwickelt werden. Erlebnisräume benötigen dazu sowohl sogenannte eye-catcher, die den Raum attraktiv machen als auch zusätzliche Funktionen, insbesondere die Möglichkeit zum Verweilen, die das Zufußgehen attraktiver und angenehmer machen.

  • Forschungsprojekt MOBLE
Im Rahmen des Forschungsprojektes MOBLE (2018-2020) wurde ein „smartes Sitzmöbel“ entwickelt, das zum kurzen Verweilen im Straßenraum einlädt. Aufgrund ihrer technischen Ausstattung kann man die FußgängerInnen-Frequenz an ihrem Standort erheben. Design und Technik wurden mittels unterschiedlicher MOBLE, die im öffentlichen Raum platziert wurden, getestet und evaluiert.

Radinfrastruktur

Das Fahrrad ist ein umweltfreundliches und gesundheitsförderndes Verkehrsmittel, somit ideal, um innerörtliche Wege zurückzulegen. Das Abstellen eines Fahrrades benötigt deutlich weniger Fläche im Vergleich zu einem Pkws. Für die Planung aller für den Radverkehr zugelassenen öffentlichen Verkehrsflächen ist in Österreich die Richtlinien und Vorschriften aus der RVS 03.02.13 zu berücksichtigen.

Mit dem Masterplan Radfahren 2015-2025 werden weitere Impulse gesetzt, um den Radverkehrsanteil in Österreich weiter zu steigern. Als Ziel ist dort festgeschrieben, dass bis zum Jahr 2025 13% aller Wege in Österreich mit dem Fahrrad zurückgelegt werden sollen. Im Rahmen des Förderprogramms klimaaktiv mobil werden vom BMK eine Reihe von Infrastrukturmaßnahmen für den Fahrradverkehr:

Pop-up-Rad- und -Fußwege

Unter Pop-up-Rad- und -Fußwegen werden temporär eingerichtete Rad- oder Fußwege verstanden.
Mit dem Handbuch "Temporäre Einrichtung und Erweiterung von Radverkehrsanlagen" des international agierenden niederländischen Büros Mobycon, das vom Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg beauftragt wurde, wurde für Städte und Gemeinden eine gute Grundlage erarbeitet, um für wichtigen Radrouten, die zu wenig Platz für Radfahrende bieten, sichere temporäre Infrastrukturmaßnahmen zu planen, die sofort umgesetzt werden können.

Schwammstadt-Prinzip

Mit Blick auf den Klimawandel birgt das Konzept der Schwammstadt den Vorteil, dass große Bäume, die als Schattenspender an heißen Tagen dienen, mit ausreichendem Wasser versorgt werden. Dabei erhalten Bäume einen wesentlich größeren Straßenunterbau als bisher. Grobe Steine als Unterlage speichern ein Vielfaches an Wasser. Dieser "Schwamm" soll ein gesundes Wurzelwachstum gewährleisten. Während sich Wurzeln im Subterrain ausbreiten, bleibt an der Oberfläche Platz für Radwege oder Gehsteige. Ein weiterer Vorteil: Bei Starkregen versickert das Wasser besser im Boden und die Kanalisation wird entlastet.

Kühle Orte (cool places)

Die sommerliche Hitze in der dicht verbauten Stadt war schon immer ein Grund, diese (vorübergehend) in die „Sommerfrische“ zu verlassen – in die Berge, an die Seen, in die Wälder. Das war allerdings den oberen sozialen Schichten, KünstlerInnen und Adeligen vorbehalten. Aktuell steht dieses Thema in engem Zusammenhang mit dem Klimawandel und dem Anstieg der Zahl an heißen Nächten und Temperaturen tagsüber von 30o Celsius und mehr. Davon sind dicht verbaute und hoch versiegelte Teilgebiete und vor allem enge Altbaubestände betroffen. Heiße Sommernächte sind vor allem für ältere Menschen sehr gefährlich. Daher werden im Zuge der Stadterneuerung „kühle Orte“ durch Beschattungen, Bepflanzungen und durch Wasser (Brunnen, kleine fließende Bäche, Sprühnebel, Trinkwasser-Brunnen, etc.) geschaffen. Diese sind gleichzeitig ein Treffpunkt in der Nachbarschaft.

Einzelnachweise

  1. Robertson-Wilson, J. & Giles-Corti, B. (2010): Walkability, Neighbourhood Design, and Obesity. In: Lake, A.A.; Townshend, T.G. & Alvanides, A. (eds.): Obesogenic Environments: Complexities, Perceptions and Objective Measures. Oxford: Wiley.
  2. New Zealand Transport Agency (2009): Pedestrian planning and design guide.