Gestaltung öffentlicher Räume: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Gestaltung des öffentlichen Raumes hinsichtlich der Funktionalität, der Materialität, der Ästhetik und des Sicherheitsbedürfnisses unterschiedlicher vulnerabler Gruppen ist notwendig, aber nicht hinreichend, denn die Attraktivität der öffentlichen Räume gilt es zu erhalten und hinsichtlich sich verändernder Nutzungserwartungen gerade durch eine veränderte Mobilität entsprechend zu adaptieren. Hierzu sind entsprechende Beteiligungsverfahren anzuwenden und weiter zu entwickeln.
 
Die Gestaltung des öffentlichen Raumes hinsichtlich der Funktionalität, der Materialität, der Ästhetik und des Sicherheitsbedürfnisses unterschiedlicher vulnerabler Gruppen ist notwendig, aber nicht hinreichend, denn die Attraktivität der öffentlichen Räume gilt es zu erhalten und hinsichtlich sich verändernder Nutzungserwartungen gerade durch eine veränderte Mobilität entsprechend zu adaptieren. Hierzu sind entsprechende Beteiligungsverfahren anzuwenden und weiter zu entwickeln.
  
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===Aufenthaltsqualität===
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Für die Wahrnehmung der Qualität des öffentlichen Raumes ist es wichtig, dass sich Menschen dort wohlfühlen, sich gerne aufhalten, sich sicher fühlen. Dazu muss der Zugang nicht nur baulich barrierefrei, sondern auch in ausreichenden Teilen konsumfrei und frei von Anfeindungen und Diskriminierungen sein. Der öffentliche Raum sollte auch ein Ort sein, an dem das „Recht auf Immobilität“ für alle gilt. Das setzt voraus, dass die Regeln einens rücksichtsvollen Verhaltens – geschriebene und ungeschriebene Gültigkeit haben und dieses auch durchgesetzt wird.
  
=== Walkability ===
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Durch die Entwicklung der Micro-Mobilität und der Elektrifizierung von unterschiedlichen Fahrzeugen entsteht ein Bedrohungspotenzial der Sicherheit und der Aufenthaltsqualität, falls auf den Fußwegen und den Plätzen die unterschiedlich schnellen Bewegungsformen (und Gewicht und Masse der Verkehrsmittel) nicht getrennt werden. Gerade Elektrofahrzeuge sind kaum hörbar und stellen für Fußgänger eine (zunehmende) Gefährdung dar.
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=== Fußgänger-Freundlichkeit (Walkability)===
 
Eine wesentlicher Baustein einer gesundheitsförderlicher Raumentwicklung und -gestaltung ist die Walkability. Walkability beschreibt, inwieweit durch fußgängerfreundliche Gemeindestrukturen und -räume das Gehen oder im weiteren Sinne aktive Mobilität angeregt und gefördert wird (Robertson-Wilson/Giles-Corti 2010; New Zealand Agency 2009). Aber Walkability wird darüber hinaus als umfassendes Konzept für eine lebenswerte nachhaltige Stadt verstanden und bedeutet nicht ausschließlich Gehfreundlichkeit.
 
Eine wesentlicher Baustein einer gesundheitsförderlicher Raumentwicklung und -gestaltung ist die Walkability. Walkability beschreibt, inwieweit durch fußgängerfreundliche Gemeindestrukturen und -räume das Gehen oder im weiteren Sinne aktive Mobilität angeregt und gefördert wird (Robertson-Wilson/Giles-Corti 2010; New Zealand Agency 2009). Aber Walkability wird darüber hinaus als umfassendes Konzept für eine lebenswerte nachhaltige Stadt verstanden und bedeutet nicht ausschließlich Gehfreundlichkeit.
 
Empirisch haben sich als Kriterien für Walkability z.B. die fünf „D“ bewährt (Ewing/Cervero 2010; Campoli 2012):  
 
Empirisch haben sich als Kriterien für Walkability z.B. die fünf „D“ bewährt (Ewing/Cervero 2010; Campoli 2012):  

Version vom 25. Oktober 2021, 19:52 Uhr

Ein wesentlicher Faktor für die Lebensqualität in Städten und Gemeinden ist die attraktive Gestaltung des öffentlichen Raumes. Sie ist zudem ein wichtiges Feld, in dem Städte und Gemeinden aktiv ihre Attraktivität für ihre Bewohner*innen und Tourist*innen beeinflussen können. In einen attraktiven öffentlichen Raum kann aktive Mobilität (zu Fuß, mit dem Rad, dem Tretroller, Scates, etc.) gelebt werden, d.h. bei der Gestaltung des öffentlichen Raumes müssen Mobilitäts- und Wegeketten der Menschen mitgedacht werden, damit die unterschiedliche Funktionalität von Straße und Plätzen erhalten bleibt resp. wieder gestärkt wird.

Die aktuellen Maßnahmen zur Verkehrs- und Mobilitätswende sehen explizit eine Um- und Neuverteilung des öffentlichen Raumes zu Lasten des motorisierten Individualverkehrs (MIV) und zu Gunsten der aktiven Mobilität und der Aufenthaltsqualität vor. Das bedeutet jedoch nicht nur eine gestalterische Anpassung, sondern auch die neu entstehenden Verteilungskonflikte der bestehenden (z.B. Konflikt mit E-Scootern) und zu erwartenden Mobilitätsmodi (Infrastrukturen für mobility points und mobility hubs, Ladestationen für E-Mobilität, Park- und Fahrplatz für neue Fahrzeuge der Micro-Mobilität, Lieferboxen, Drohnen) pro-aktiv zu Gunsten nachhaltiger Mobilitätsformen zu gestalten.

Die Gestaltung des öffentlichen Raumes hinsichtlich der Funktionalität, der Materialität, der Ästhetik und des Sicherheitsbedürfnisses unterschiedlicher vulnerabler Gruppen ist notwendig, aber nicht hinreichend, denn die Attraktivität der öffentlichen Räume gilt es zu erhalten und hinsichtlich sich verändernder Nutzungserwartungen gerade durch eine veränderte Mobilität entsprechend zu adaptieren. Hierzu sind entsprechende Beteiligungsverfahren anzuwenden und weiter zu entwickeln.

Aufenthaltsqualität

Für die Wahrnehmung der Qualität des öffentlichen Raumes ist es wichtig, dass sich Menschen dort wohlfühlen, sich gerne aufhalten, sich sicher fühlen. Dazu muss der Zugang nicht nur baulich barrierefrei, sondern auch in ausreichenden Teilen konsumfrei und frei von Anfeindungen und Diskriminierungen sein. Der öffentliche Raum sollte auch ein Ort sein, an dem das „Recht auf Immobilität“ für alle gilt. Das setzt voraus, dass die Regeln einens rücksichtsvollen Verhaltens – geschriebene und ungeschriebene Gültigkeit haben und dieses auch durchgesetzt wird.

Durch die Entwicklung der Micro-Mobilität und der Elektrifizierung von unterschiedlichen Fahrzeugen entsteht ein Bedrohungspotenzial der Sicherheit und der Aufenthaltsqualität, falls auf den Fußwegen und den Plätzen die unterschiedlich schnellen Bewegungsformen (und Gewicht und Masse der Verkehrsmittel) nicht getrennt werden. Gerade Elektrofahrzeuge sind kaum hörbar und stellen für Fußgänger eine (zunehmende) Gefährdung dar.

Fußgänger-Freundlichkeit (Walkability)

Eine wesentlicher Baustein einer gesundheitsförderlicher Raumentwicklung und -gestaltung ist die Walkability. Walkability beschreibt, inwieweit durch fußgängerfreundliche Gemeindestrukturen und -räume das Gehen oder im weiteren Sinne aktive Mobilität angeregt und gefördert wird (Robertson-Wilson/Giles-Corti 2010; New Zealand Agency 2009). Aber Walkability wird darüber hinaus als umfassendes Konzept für eine lebenswerte nachhaltige Stadt verstanden und bedeutet nicht ausschließlich Gehfreundlichkeit. Empirisch haben sich als Kriterien für Walkability z.B. die fünf „D“ bewährt (Ewing/Cervero 2010; Campoli 2012):

  • „Density“: Verdichtungsgrad wie Einwohner*innen, Wohneinheiten etc. pro km²
  • „Diversity“: Vielfältigkeitsgrad in der Flächennutzung (Nutzungsmischung)
  • „Design“: Gestaltung von Straßen, Fuß- und Radwegen sowie Vernetzung von Straßen
  • „Destination accessibility“: Erreichbarkeit von Zielen des täglichen Bedarfs oder zeitlicher Dauer von Wegen
  • „Distance to transit“: Distanzen zur nächsten ÖV-Haltestelle

Die Studie Messung und Erfassung der Fußgängerfreundlichkeit von Straßenräumen des Institutes für Stadtplanung und Städtebau der Universität Duisburg-Essen liefert einen Baustein, wie Walkability auf verschiedenen Maßstabsebenen mit Hilfe von digitalen Mess- und Erfassungstools gemessen, erfasst und evaluiert werden kann.

Begegnungszone

2013 wurde die Begegnungszone als neue Form der Verkehrsorganisation in einer Novelle der österreichischen Straßenverkehrsordnung eingeführt. In Begegnungszonen können Fußgänger die gesamte Fahrbahn benützen. Die Fahrzeuglenker sind bei der Benützung einer Begegnungszone zu besonderer Rücksichtnahme aufgefordert: Fußgänger und Radfahrer dürfen weder gefährdet noch behindert werden, jedoch dürfen auch Fußgänger den Fahrzeugverkehr nicht mutwillig behindern. Im Regelfall gilt für alle Fahrzeuglenker eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h, unter bestimmten Voraussetzungen können jedoch auch Begegnungszonen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h eingerichtet werden. Das Parken von Kraftfahrzeugen ist in Begegnungszonen nur an gekennzeichneten Stellen erlaubt. Seit der Aufnahme in die Straßenverkehrsordnung wurden in zahlreichen Gemeinden Österreichs Begegnungszonen eingerichtet.

Das KFV führte 2017 gemeinsam mit Rosinak&Patner eine Evaluierung von Begegnungszonen in Bezug auf Verkehrssicherheit durch.

Einen Überblick über bereits umgesetzte und verordnete Begegnungszonen in Österreich bietet der Verein walk-space.at an.

Street Design

Im Masterplan Gehen des BMK wird unter anderem die Maßnahme Gestaltung öffentlicher Räume unter besonderer Berücksichtigung FußgängerInnen-freundlicher Qualitätsstandards festgeschrieben. Der öffentliche Straßenraum an sich soll sich vom Funktionsraum zum Erlebnisraum entwickeln, im Sinne von beobachten, das Umfeld wahrnehmen, soziale Nähe suchen, Kommunikation etc.. Erlebnisräume benötigen einerseits sogenannte eye-catcher, die den Raum attraktiv machen und andererseits zusätzliche Funktionen, insbesondere die Möglichkeit zum Verweilen, die das Zufußgehen attraktiver und angenehmer machen.

  • Forschungsprojekt MOBLE
Im Rahmen des Forschungsprojektes MOBLE (2018-2020) wurde ein „smartes Sitzmöbel“ entwickelt, das zum kurzen Verweilen im Straßenraum einlädt. Diese Sitzmöbel sind aufgrund ihrer technischen Ausstattung in der Lage, die FußgängerInnenfrequenz an ihrem Standort zu bewerten. Design und Technik wurden mittels mehrerer MOBLE, die im öffentlichen Raum platziert wurden, getestet und evaluiert.

Radinfrastruktur

Das Fahrrad ist ein umweltfreundliches und gesundheitsförderndes Verkehrsmittel, somit ideal für den Einsatz von innerörtlichen Wegen. Das Abstellen eines Fahrrades benötigt nur ein Zehntel der Fläche eines Pkws. Für die Planung aller für den Radverkehr zugelassenen öffentlichen Verkehrsflächen ist in Österreich die RVS 03.02.13 zu berücksichtigen.

Weiters werden mit dem Masterplan Radfahren 2015-2025 Impulse gesetzt, um den Radverkehrsanteil in Österreich weiter zu steigern. Das Ziel ist dabei mit 13% im Jahr 2025 festgeschrieben. Gefördert und initiiert wird die Partizipation vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

Pop-up-Rad- und -Fußwege

Unter Pop-up-Rad- und -Fußwegen werden temporär eingerichtete Rad- oder Fußwege verstanden.
Das Handbuch "Temporäre Einrichtung und Erweiterung von Radverkehrsanlagen" vom Mobycon bietet für Städte und Gemeinden eine gute Grundlage, um für wichtigen Radrouten, die zu wenig Platz für Radfahrende bieten, sichere temporäre Infrastrukturmaßnahmen zu planen, die sofort umgesetzt werden können.

Schwammstadt-Prinzip

Mit Blick auf den Klimawandel birgt das Konzept der Schwammstadt den Vorteil, dass große Bäume, die als Schattenspender an heißen Tagen dienen, mit ausreichendem Wasser versorgt werden. Dabei erhalten Bäume einen wesentlich größeren Straßenunterbau als bisher. Grobe Steine als Unterlage speichern ein Vielfaches an Wasser. Dieser "Schwamm" soll ein gesundes Wurzelwachstum gewährleisten. Während sich Wurzeln im Subterrain ausbreiten, bleibt an der Oberfläche Platz für Radwege oder Gehsteige. Ein weiterer Vorteil: Bei Starkregen versickert das Wasser besser im Boden und die Kanalisation wird entlastet.

  • Projekte
In Graz wurde 2017 die Eggenberger Allee in eine „Schwamm-Allee“ umgebaut.
In Seestadt aspern wird das Prinzip der "Schwammstadt" erstmals in ganzen Straßenzügen umgesetzt.

Weitere Infos

Transformation öffentlicher Mobilitätsräume